Arbeitszeugnisse enthalten häufig Formulierungen oder so genannte Codierungen, deren tieferer Sinn nicht sofort zu erkennen ist. Wir erklären, worauf Sie achten müssen.
Wer als Arbeitnehmer ein Zeugnis in die Hand gedrückt bekommt, fragt sich nicht selten: Verbirgt sich hinter all diesen formellen Redewendungen und Floskeln eine überzeugte Empfehlung oder doch eher eine mittelmässige Bewertung? Glücklicherweise verzichten immer mehr Unternehmen auf Codierungen in Arbeitszeugnissen und erstellen individuelle Texte. Dennoch kommen sie noch immer häufig vor. Um sie besser einordnen zu können, betrachten wir zuerst einmal die (mindestens) üblichen Bausteine eines Zeugnisses:
- Persönliche Daten des Arbeitnehmers und Dauer der Anstellung
- Aufgabenbereich und Verantwortlichkeiten
- Bewertung von Leistung und Verhalten
- Grund des Austritts
- Wünsche zum Abschied
Über Angaben zur Person und zur Dauer der Anstellung dürfte in den meisten Fällen Einigkeit herrschen. Etwas anspruchsvoller wird es beim Aufgabenbereich und den Verantwortlichkeiten, da diese sich im Laufe der Zeit verändern können. Achten Sie darauf, dass alle Phasen Ihrer Beschäftigung möglichst treffend beschrieben sind. Hier kann gerade bei einem langen Arbeitsverhältnis ohne böse Absicht leicht etwas vergessen gehen. Dies lässt sich im Rahmen eines Gesprächs einfach klären.
Die Leistung im Arbeitszeugnis
Wirklich spannend wird es beim dritten Punkt, bei der Bewertung. Sicher sind Sie bereits dieser oder einer ähnlichen Formulierung begegnet: «XY erledigte alle ihm übertragenen Aufgaben stets zu unserer vollsten Zufriedenheit.» Auch wenn das sprachlich nicht der grosse Wurf sein mag, ist die Aussage eindeutig: Die Leistung war sehr gut, eine glatte Note 6. Dabei kommt zwei Wörtern zentrale Bedeutung zu. «Stets» zeigt an, dass der Mitarbeiter eine konstante Leistung erbrachte. Diese Botschaft kann natürlich auch mit gleichbedeutenden Wörtern ausgedrückt werden, etwa «immer», «jederzeit». Fehlt diese Botschaft, bedeutet dies eine deutlich schlechtere Bewertung, bestenfalls noch eine 4. Der zweite Bestandteil der Note findet sich in der «vollsten Zufriedenheit». «Volle Zufriedenheit» bedeutet bereits eine Notenstufe weniger, und falls Aufgaben nur noch «zu unserer Zufriedenheit» erledigt wurden, war die Leistung gerade mal ausreichend. Besonders negativ sind Formulierungen wie «Er war stets bemüht…», denn sie bedeuten im Klartext: Er hat es versucht, aber nicht geschafft.
Zeugnisse ohne Floskeln
Mittlerweile gehen Unternehmen dazu über, Standardfloskeln in Zeugnissen durch Formulierungen zu ersetzen, die mehr dem allgemeinen Sprachgebrauch entsprechen. Eine Bewertung kann dann beispielsweise so zum Ausdruck kommen: «Wir waren mit seinen Leistungen immer ausserordentlich zufrieden.» Die zugehörige Schulnote lässt sich weiter an den gleichen Elementen ablesen: «immer» und «ausserordentlich» stehen für eine Top-Leistung, Note 6. Je nach Verantwortungsbereich könnte die Bewertung um Erfolge ergänzt werden, die Sie im Laufe Ihrer Anstellung erreicht haben. Falls Sie also massgeblich zur Umsetzung eines Projekts beigetragen oder Ihre Kollegen bei der Einführung einer neuen Technologie geschult haben, darf dies durchaus erwähnt werden. Noch hat sich dieses Vorgehen nicht flächendeckend durchgesetzt. Gerade deswegen spricht nichts dagegen, höflich einen entsprechenden Wunsch anzubringen, bevor das Zeugnis ausgestellt wird.
Bewertung des Verhaltens
Auch beim Verhalten gibt es einige grundlegende Prinzipien. Es existieren drei Anspruchsgruppen: Mitarbeiter, Vorgesetzte und Kunden. Wird eine dieser Gruppen nicht genannt, haben in diesem Bereich wohl Schwierigkeiten bestanden. «Sein Umgang mit Mitarbeitern und Kunden war stets vorbildlich» steht zwar an sich für eine sehr gute Bewertung. Allerdings werden der oder die Vorgesetzten ausdrücklich nicht genannt. Das lässt vermuten, dass es zu Problemen kam. Vorsicht ist geboten, wenn selbstverständliche Punkte besonders hervorgehoben werden. «Er war stets pünktlich» deutet darauf hin, dass es sonst nicht viel Positives zu sagen gibt.
Austrittsgrund und Abschiedswunsch
Falls Sie selbst die Stelle gekündigt haben, sollte dies im Zeugnis klar zu erkennen sein: «Der Austritt erfolgt auf eigenen Wunsch.» Auch im letzten Absatz findet noch einmal eine Bewertung statt. In einem guten Zeugnis wird Ihr Weggang ausdrücklich bedauert, in einem sehr guten darauf verwiesen, dass man sie «jederzeit wieder einstellen» würde.
Sie sehen: Beim Lesen eines Arbeitszeugnisses gibt es viele Punkte zu beachten. Falls Sie das Gefühl haben, dass Ihr Arbeitszeugnis eine unglückliche Formulierung oder eine versteckte schlechte Bewertung beinhaltet, muss dies nicht im Streit enden. Sprechen Sie Ihren Arbeitgeber offen darauf an und fragen Sie bei unklaren Punkten nach. Gerade in kleineren Betrieben ist häufig niemand auf das Verfassen von Zeugnissen spezialisiert. Entsprechend kann es sich bei einer Auslassung oder einer negativ behafteten Aussage um ein reines Versehen handeln. Gerade wenn die Trennung im Guten stattfindet, lassen sich solche Missverständnisse leicht aus der Welt schaffen. Und sollten Sie sich bei einer Formulierung nicht sicher sein, stehen wir Ihnen gerne zur Seite: Wenn Sie sich bei beeworx bewerben, prüfen wir Ihre Zeugnisse eingehend und machen Sie bei Bedarf auf Mängel an Ihren Zeugnissen aufmerksam.
Bitte beachten Sie
Während wir üblicherweise immer versuchen, entweder eine neutrale Form oder die männliche und weibliche Form gleichberechtigt zu verwenden (z.B. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter), mussten wir in diesem Beitrag darauf verzichten. Dies Lesbarkeit hätte zu sehr gelitten. Selbstverständlich möchten wir damit niemanden diskriminieren. Ausserdem weisen wir unsere deutschen Leser darauf hin, dass wir uns in diesem Beitrag auf das Schweizerische Notensystem beziehen, in dem 6 die beste und 1 die schlechteste Bewertung darstellt.
Karin Flückiger, mit der wir ein spannendes Gespräch zum Thema Zeugnis führen durften, berät Arbeitnehmende und Unternehmen unter anderem bei Fragen rund um das Arbeitszeugnis, Arbeitsrecht und bietet Unterstützung beim Bewerbungsprozess. www.karinflueckiger.ch
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